Vortragsabend der angehenden Pferdewirte an der Beruflichen Schule Münsingen
„Pferdezucht – was ist zu bedenken?“
Ein Fohlen zu züchten – davon träumen viele Pferdebesitzer. Um den Traum zu verwirklichen, bedarf es vieler Faktoren. Von der Haltung und Fütterung einer Zuchtstute über die Bedeckung und Trächtigkeit bis hin zur Geburt des Fohlens ist viel Fachwissen gefragt. Etwa ein halbes Jahr ist das Fohlen alt, wenn es von der Stute getrennt wird. Auch die Kosten dürfen nicht unterschätzt werden.
Moderiert von Dr. Carina Krumbiegel, Zuchtleiterin Warmblut beim Pferdezuchtverband Baden-Württemberg, haben Auszubildenden im Beruf Pferdewirt in Vorträgen im Rahmen eines Informationsabends zum Thema „Pferdezucht – was ist zu bedenken?“ die Fakten zu den einzelnen Bereichen anschaulich dargestellt.
Anschließend wurden die Gäste des Abends - Anette Single (Burrishof Frickenhausen– Island- und Fjordpferde), Christel Erz (Rossnatour Laichingen– Altwürttemberger und Schwarzwälder Kaltblut), Georg Ederle (Reitanlage Ederle Bissingen an der Teck– Dt. Reitpferd) und Ruben Stapelbroek (Niederlande - KWPN) zu ihren Praxiserfahrungen in den einzelnen Bereichen von den Schülern interviewt.
Die Schülergruppe „Haltung von Stute und Fohlen“ hat verschiedene mögliche Haltungsverfahren für Zuchtstuten vorgestellt. Sie würden sich für die die Haltung in Gruppen mit viel Weidegang der Zuchtstuten entscheiden, um den Pferden möglichst viel Sozialkontakte zu ermöglichen. Bewegung an der frischen Luft und die damit verbundene UV-Strahlung ist ihnen für Stute und Fohlen besonders wichtig.
Die „Fütterungsgruppe“ hat erläutert wie die einzelnen Stadien „güst – niedertragend – hochtragend – laktierend“ berücksichtigt werden müssen. Insbesondere bei hochtragenden und laktierenden Stuten erhöht sich der Bedarf an den einzelnen Nährstoffen, was bei der Zusammenstellung der Ration beachtet werden muss.
Die Gruppe „Bedeckung“ hat die Zuchttauglichkeitsuntersuchung vorgestellt, dargestellt welche Dokumente bei der Zucht zu beachten sind, wie Follikelkontrollen, Trächtigkeitsuntersuchungen und die Geburt verlaufen. Bei den Bedeckungsarten wurden, neben der Weidenbedeckung, dem Natursprung aus der Hand, der künstlichen Besamung mit Frischsperma und Tiefgefriersperma auch moderne Reproduktionsverfahren wie Embryotransfer, das reproduktive Klonen und OPU ICSI (Ovum-Pick-UP oder Eizellentnahme und die darauffolgende intrazytoplasmatische Spermieninjektion) erläutert. In ihrem Fazit hat sich die Gruppe für die herkömmlichen Verfahren ausgesprochen.
Die „Kostengruppe“ hat den Zuhörern „die Augen geöffnet“. Viele Kosten müssen berücksichtigt werden, von den Untersuchungen der Stute bis zum Decken, die Decktaxe, Trächtigkeitsuntersuchungen, Zusatzkosten für nährstoffreichere Futtermittel während der Hochträchtigkeit und der Laktation bis hin zu den Arbeitskosten und den Kosten für die Bestandsergänzung. Schon ohne „besondere Vorkommnisse“ sind die Kosten nicht zu unterschätzen.
Im anschließenden Interview berichteten die Gäste über das von ihnen praktizierte Haltungsverfahren, das von der Boxenhaltung mit Weidegang in Gruppen bis zur dauerhaften Gruppenhaltung einschließlich des Abfohlens auf der Weide reicht. Auch sie waren sich einig, dass ausreichend Auslauf und Sozialkontakte für die Pferde gewährleistet sein müssen.
Die gewählten Bedeckungsarten beschränken sich auf die herkömmlichen Verfahren, was z.T. rassebedingt ist bzw. vom Deckeinsatz des gewählten Hengstes abhängt. Die Robustrassen, so Annette Single, werden oft auf der Weide bedeckt. Dabei läuft ein Hengst in der Stutenherde mit.
In Bezug auf die Fütterung wurde bestätigt, dass vor allem in der hochtragenden Phase und der Laktation auf eine bedarfsgerechte Nährstoffzufuhr geachtet werden muss, jedoch aber bei allen Berechnungen dazu der Leitspruch „das Auge des Herrn füttert das Pferd“ nicht außer Acht gelassen werden darf. Man kennt seine Pferde, so Georg Ederle, und weiß welches etwas mehr oder etwas weniger Futter benötigt.
Beim Geburtsverlauf legen alle größten Wert auf die Beobachtung der Stuten. Wann immer möglich sollte man bei der Geburt des Fohlens dabei sein. Die Geburtsüberwachung wird von der klassischen regelmäßigen Beobachtung der Stute ergänzt über verschiedene Möglichkeiten moderner Technik durchgeführt. Der Umgang mit den Fohlen wird unterschiedlich gehandhabt, was auch mit der Anzahl an Fohlen und damit dem zeitlichen Aspekt im jeweiligen Betrieb zusammenhängt. Frau Erz berichtete, dass Ihre Fohlen sehr schnell mit in den Arbeitsalltag der Stute integriert werden und dadurch schnell sehr umgänglich sind. Die Philosophie im Betrieb von Ruben Stapelbroek ist in allen Bereichen die „3 Rs“ auf dem Hof zu leben: Reinheit - Ruhe - Regelmäßigkeit.
In Bezug auf die Kosten bestand Einigkeit, es dürfen keine unvorhersehbaren Kosten wie z.B. größere Verletzungen entstehen und es muss zwischendurch ein Fohlen zu einem höheren Preis verkauft werden, um die Kosten insgesamt decken zu können. Trotzdem werden alle Ihrer großen Leidenschaft „Pferdzucht“ treu bleiben, weil es ein Glücksgefühl, ein erhabener Moment ist, wenn ein Fohlen geboren wird und man dieses Fohlen auf seinem Weg ins Leben begleiten darf.
Die angehenden Pferdewirte haben durch die Präsentation und das Interview mit den Gästen einen interessanten Abend zu Thema Pferdezucht gestaltet. Die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer erhielten bei der öffentlichen Veranstaltung des Fördervereins der Beruflichen Schule Münsingen ein Einblick wie vielseitig die Überlegungen von Pferdezüchtern angestellt werden müssen, um den Nachwuchs der Vierbeiner sicherzustellen.
Text und Fotos: Dr. Andrea Pfirrmann